Formkräfte des Wassers
Gebirgsschutt
Wenn ich in die Berge schaue, fallen mir vielleicht zuerst die hohen, schneeweißen Gipfel auf. Denn sie ragen aus der Landschaft heraus und bilden einen so schönen Kontrast zum blauen Himmel. Was sich meinem Blick jedoch verbirgt, ist die unvorstellbare Masse an Gesteinsschutt. Diese unvorstellbar große Masse ist von Vegetation, von Wiesen und Wäldern bedeckt, so dass ich sie gar nicht sehen kann. Nur dort, wo Bäche und Flüsse schmale Streifen freigelegt haben oder wo Felswände das Wachstum von Vegetation verhindert haben, sieht man, wie hier überall Schutt im Untergrund lagert.
Die "Schuttregion", oft auch Molasse genannt, erstreckt sich über weite Landesteile. So wie einst das Gebirge durch Erosion abgetragen wurden, so geschah es auch mit dieser Region. Einige kleinere Berge blieben stehen (Speer, Federispitz oder Rigi), ansonsten wurde dieses Gebiet - wie z.B. das Zürcher Oberland - in eine "Voralpenlandschaft" umgewandelt...

Necker, SG Tössstock, Zürcher-Oberland Blick vom Hasenstrick Blick vom Etzel
Abgerollte Steine
Der Gebirgsschutt besteht aus abgerollten Steinbollen und Sedimenten, die teilweise gut miteinander verkittet sind. Daraus entstand das Konglomerat "Nagelfluh". Ich war sehr erstaunt, als ich dieses Gestein auf der Rigi wiederfand. Ich dachte mir: So hoch wie dieser Berg kann diese Gegend vielleicht mit Schutt gefüllt gewesen sein.

Nagelfluh: Chrüzegg, ZH Bärloch, ZH Adetswil, ZH
Schauen wir uns die Steinbollen genauer an. Im Flussbett finden wir sie zur Genüge. Wir finden solche Steinbollen auch an steinigen Küsten. Unabhängig von der Gesteinsart zeigen sie alle eine ähnliche sphärische Form. Ein Bild, das seine formgebende Kraft nicht in sich trägt. Der Steinbollen ist wie ein Zentrum und seine Form zugleich ein Abbild der wirkenden Kräfte des umgebenden Raumes. Der Diallag-Gabbro, den ich am Marmoreraseeufer fand, zeigt eine ursprüngliche Gestalt des Gesteins im Gebirge.

Necker, SG Fund aus dem Necker, bearbeitet, Kreideküste Rügen Granit, Rügen Diallag-Gabbro, Marmorerasee, GR
Kalkoolit
Zu diesem Thema gehört auch die besondere Erscheinungsform des Kalkoolits. Er kommt an verschiedenen Stellen vor und ist ein Kalksediment, das sich einst am Meeresboden gebildet hat. Man kann sich vorstellen, wie sich Muschelschalen auf dem Meeresboden angesammelt haben, wie sie - vom Wasser hin und her bewegt - immer mehr zerkleinert wurden, bis nur noch kleine Oolithe (Kügelchen) übrig blieben. Diese haben sich später zu Gesteinsschichten verfestigt.

Gletschertöpfe und Schluchten
Wir kennen im Gestein nicht nur die konvexe Formung der Steinbollen. Es gibt im Gestein auch konkave Formen, bei denen die formende Kraft auch aus dem umgebenden Raum wirkte. Wenn sich das Schmelzwasser an der Oberfläche eines Gletschers zu einem Bach sammelt und dieser Bach durch eine Gletscherspalte in die Tiefe stürzt, kann es sein, dass dieser Bach an der Gletschersohle auf das darunter liegende Gestein trifft. Wenn der Bach Steine mit sich reißt und das Wasser am Boden Strudel bildet, entstehen so genannte Gletschermühlen. Sie sind ein Abbild (eigentlich ein Negativ) der ungestümen Tätigkeit des Wassers. Irgendwo habe ich gelesen, dass das Wasser unter dem Gletscher Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 200 Km/h erreichen kann.

Gletschermühlen: Gletschergarten - Luzern Via Mala, GR
Dort, wo sich das Wasser in Schluchten in den Fels gegraben hat, sind auch Räume entstanden, deren Oberflächen von den schleifenden Gestaltungskräften des Wassers zeugen.

Aareschlucht, BE
Gletscherschliff
In diesem Zusammenhang ist auch der Gletscher zu nennen, der von aussen dem Gestein Formen aufprägt. Die Gletscher haben ganze Täler ausgeschürft. Wunderschöne Oberflächenformen haben sie im Gestein hinterlassen. Beispiele dafür finden Sie auf den Abbildungen.

Sustenpass Grimsel
Geschiebestrom

Überquert man den Lukmanierpass, so gelangt man auf der Südseite zu einem mächtigen Strom aus Geschiebe, der sich über die Passstrasse hinweg seinen Weg ins Tal bahnt. Diese Stelle ist schon von weitem sichtbar. Das zweite Bild zeigt die Abbruchstelle. Von dieser über 200 Meter hohen Wand wird dieser Geschiebestrom immer wieder aufgefüllt. Wie ein träger "Steinfluss" aus Geröll mit feinstem Sand als Gleitschicht bewegt sich die tonnenschwere Masse bei jedem Unwetter ein Stück weiter talwärts.
Zusammenfassend
Aus diesen Beispielen wird einem bewusst, welchen Anteil das Wasser an den Erosionsprozessen in den Alpen hat. Es bewegt die Steine, schiebt sie übereinander und gegeneinander, bildet mit feinem Sand und Schlamm Gleitschichten, und wenn das Wasser zu Eis gefroren ist, bildet es an der Gletschersohle eine "Schmirgelschicht" aus Gestein und Geröll.
Die sphärischen Formen, die dem Gestein immer von aussen aufprägt werden, gehören dem Wasser an.