GORNERGRAT

Erdprozesse

Als ich oben auf dem Gornergrat war und mich realisierte, dass ich hier (auf über 3000 Meter Höhe) auf Ozeanbodengestein (Serpentinit) stand, sah ich mich gezwungen, die geologischen Vorgänge einmal genau nachzulesen. Ich kam zu folgenden Schlüssen:

Vor Millionen Jahren bewegten sich das Afrikanische und das Europäische Kontinent aufeinander zu. Zwischen beiden Kontinenten lag das Tethysmeer. Dann kamen beide Kontinente miteinander in Berührung (vor ca. 60 Mio J., Angabe Swisstopo 1)). Oft wird diese Berührung mit "Kollision" bezeichnet, wobei die Phantasievorstellung dieses Vorganges leicht zu Missverständnissen führt. Man stellt sich die Erdplatten wie zwei Eisschollen vor, die gewaltig aufeinanderprallen und denkt sich dann, wie sich durch den Zusammenprall gewaltige Erdverschiebungen katastrophaler Art abgespielt haben.

Das Problem liegt bei den Wortprägungen, die der Sinneswahrnehmung entlehnt sind und die üblicherweise für Vorgänge angewandt werden, die sich nicht über Millionen von Jahren abspielen. Wenn in populären Schriften davon die Rede ist, dass etwas "weggerissen" wurde, wenn etwas "hineingeschoppt" wurde, wenn eine ganze Erdmasse "gehoben" oder "verschoben" wurde, dann mögen die Ortsveränderungen der tektonischen Einheiten stimmen, die Vorgänge haben sich aber niemals so ereignet.

Nach der Berührung der Kontinente vor 60 Mio. J. gab es eine starke Deformation: Gesteinsmassen tauchten ab, wurden deformiert, verfaltet, es ereigneten sich Überschiebungen und durch Auftriebskräfte aus dem Erdinnern (Konvektion) wurden die Alpen angehoben. Alle diese Prozesse dauerten ca. 58 Mio J. Dann setzten Erosion und Gletschertätigkeit ein und veränderten (über 2 Mio. J.) die Gebirgsmassen in das heutige Landschaftsbild (für die zeitlichen Angaben: Bundesamt für Landestopografie Swisstopo, Geosciences)

In den Alpen gibt es die Ophiolith-Gesteinsmassen. Diese gehören (ursprünglich) zur Lithosphäre des Tethysmeeres (Ozeanbodengestein). Ein Serpentinit ist ein Ophiolith. Die Lage dieses Gesteins war also - ursprünglich - unter der Meeresspiegel.

Als ich erfuhr, dass nördlich von Scuol ein Bergkamm liegt mit einer Höhe von 3000 Meter und dieser aus Serpentinit besteht, als auch der Gipfel des Mazzaspitz (3163 m.) oberhalb von Juf aus Serpentinit gebildet ist und jetzt ein grosser Teil des Gornergrates (3000 m.) ebenso aus Serpentinit besteht, dann hat sich ausser der geographischen Verschiebung auch eine ordentliche Höheveränderung abgespielt.

Steht man auf dem Gornergrat, so hat man (im Süden) lauter Viertausender vor sich. Sie alle gehören dem Massiv des Monte Rosa an. Nach Westen folgt, nach dem Breithorn mit dem Kleinmatterhorn, der Theodulpass (Höhe fast 3300 Meter), dann folgt das Matterhorn. Da kommt einem die Frage: Wie kommt diese Ophiolithmasse (Ozeanbodengestein) bis hier oben auf dem Gornergrat?! Gegen Süden hat man diesen gewaltigen Wall des Monte Rosa Massivs, da kommt nichts daran vorbei!

Ich wusste lange nicht, dass das Afrikanische Kontinent weit über das Europäische Kontinent nach Norden geschoben wurde. Die Gesteinsmassen des Matterhorns bis zum Weisshorn sind Afrikanischen Ursprungs (gehören alle zur Dent Blanche Decke) und überlagern Europäische Erdschichten.

Nach einer Zeichnung (Quelle: Diplomarbeit, Andreas Ebert, 2001) auf meinem Panoramafoto übertragen 

Mit dieser Überschiebung sind auch Ophiolithmassen mitgeschoben worden. Alles muss in gehöriger Tiefe vor sich gegangen sein, denn erst bei hohen Temperaturen und starkem Druck wird das Gestein "bieg- und faltbar".

Serpentinit beim Riffelsee (eigene Aufnahme)

Das heisst wiederum, dass auf diesen mächtigen Viertausendern ursprünglich ungeheure Erdmassen gelegen haben. Dann haben 2 Mio. J. lang Gletscher und Erosion diese Schicht verändert, bis sich das aktuelle Bild dieser Viertausender ergeben hat. Unmengen Gebirgsschutt sind in diesem Zeitraum abgetragen worden. Das Matterhorn ist dabei fast von der Dent Blanche Decke abgetrennt worden.

Eine kleine Berechnung: Realisiere ich diese unfassbar grossen Zeiträume und nehme an, dass sich irgendein Landteil jährlich um ½ cm verschiebt, dann ist dieser Landteil in 2 Mio. J. um 10 Km verschoben. Leidet die Vegetation darunter? Überhaupt nicht! Hätten wir heute nicht solch exakte Messinstrumente, wir würden von einer Verschiebung gar nichts wissen, hätten höchstens hin und wieder ein Erdbeben, von dem sich Mensch und Natur rasch wieder erholen.                                                                                                                                                                                  Man vergisst dabei leicht, dass es nicht ausschliesslich diese Berechnung geben kann. Es sind auch immer andere Faktoren zu berücksichtigen. Ein Baby wächst in einem Jahr etwa 25 cm. Auf Grund dieser Zahl kann man errechnen, wie gross dieser Mensch sein wird, wenn er 30 Jahre alt ist! Dann ist er 7,5 Meter gross!

Dürnten, 14.04.2021

Hans van der Heide

1) Geologische Entstehungsgeschichte des Gebiets - Swisstopo

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