Kristallines
Eine andere Blickrichtung ...
Kunst - Kubismus
Mein Blick auf die Gesteinswelt ist ein anderer als der des Geologen und dennoch stimmen diese zwei Blickrichtungen in vielerlei Hinsicht überein. In meinem Berufsleben war ich Kunst- und Werklehrer. In der Pädagogik und Heilpädagogik war mein Hauptfach Bildnerisches Gestalten. Die Werkstoffe (Ton, Gips, Holz, Kupfer, Stein) waren für mich ein zentrales Thema. Denn sie waren das Material, das ich mit den Kindern und Jugendlichen formte und gestaltete.
Auf vielfältige Art und Weise vermittelte ich den jungen Menschen den Blick auf die Welt der Formen. Ein Beispiel, das auch einen anderen Blick auf die Welt der Steine wirft, möchte ich hier schildern.
Mit Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren habe ich über die Stilrichtung "Kubismus" gesprochen. Ich stellte ihnen die Aufgabe, selbst eine Arbeit zu schaffen, die ganz aus den Bildkräften des Kubismus geschöpft war, d.h. die Arbeit sollte nur aus einer Fülle von planen, ebenen Flächen bestehen.

Als Einstieg in diese Arbeit besprach ich ein Werk von Constantin Brancusi "Colonne sans fin". Zuerst zeigte ich einen Ausschnitt aus diesem Werk (Abb. 1) und fragte, was ihnen dazu in den Sinn kam. "Das sind so aneinandergereihte Körper. Wie heißen die noch mal?" "Das sind Oktaeder", sagte jemand (Abb.2). Das war der richtige Name. Man könnte meinen, hier hätte ein Künstler eine Säule aus ineinander geschobenen Oktaedern geschaffen.
Wichtig war mir die Spontaneität, mit der die Säule zunächst als eine Abfolge von Raumkörpern gesehen wurde.
Erst dann habe ich die ganze Säule gezeigt (Abb. 3) und darauf hingewiesen, dass man sich genau anschauen muss, wie die Säule endet und wie die Säule auf dem Boden steht. Oben und unten hat sie ein halbes Oktaedersegment.
Nun erkannten wir, dass wir die Segmentierung dieser Säule auch anders verstehen konnten. Für diese Segmente (Abb. 4) haben wir zwar keinen Namen, aber allen Jugendlichen war klar, dass diese Säule auf der zweiten Art von Segmenten basierte.
Es wurde deutlich, dass die ebene Fläche immer eine doppelte Bedeutung hat. Einmal kann sie als eine den Körper begrenzende Fläche aufgefasst werden. Dann umschließt sie ein Volumen und wird zusammen mit den angrenzenden Flächen zu einem Raumkörper. Gleichzeitig kann dieselbe Oberfläche aber auch raumumgreifend werden. Zum Beispiel, wenn ich meine Arme ausstrecke, um den Raum um mich herum zu "umarmen".

Versuchen Sie diese Form einmal unter diesem Aspekt anzuschauen.
Was ich Ihnen damit eröffnet habe, ist eine ganz andere Sichtweise auf einen Bergkristall. Wir dürfen den Bergkristall nicht nur als ein geschlossenes Volumen auffassen. Wir müssen auch sein Gegenbild, sein Inversionsbild erkennen, dann erleben wir, eine andere Kristallform, eine Kristallform im Umraum. Das Inversionsbild ist genauso real wie das, was wir sonst als gewohnte Vorstellung eines Bergkristalls in uns tragen.
Gehen wir noch einen Schritt weiter.
Kristallbildung